Geschichte

Geschichte der Capoeira

Ein einzigartiger Kampf um Freiheit.

Capoeira ist eine Kampfkunstform, die in der Kolonial- und Sklavenzeit Ende des 15. Jahrhunderts in Brasilien durch die von Portugiesen und Holländern verschleppten Afrikaner im Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung entstand. Unter den versklavten Afrikanern waren Stämme wie die Nagó, Yuruba, Bantus, Ewes und andere. Schätzungsweise mehr als 15 Mio. Schwarzafrikaner wurden in dieser Zeit nach Nord- und Südamerika deportiert, darunter alleine bis zu fünf Mio. nach Brasilien.

Heute ist nicht mehr gänzlich eindeutig, wie und unter welchen Bedingungen Capoeira tatsächlich entstanden ist. Denn mit der Abschaffung der Sklaverei Ende des 19. Jhds. in Brasilien wurde zum Zeichen des Neuanfangs ein Großteil der konstatierenden Literatur vernichtet. Eines aber fest ohnehin fest, Capoeira diente der Emanzipation und Selbstbefreiung der Sklaven gegen die Herrschaft und Unterdrückung durch den Weißen Mann.

In sogenannten Quilombos organisierten sich flüchtige Sklaven, bewirtschafteten Land und Boden, ernähhrten sich von gejagtem Wild und formierten sich gleichzeitig zu von den Sklavenhaltern gefürchteten Bastionen. So steht Palmares als die größte der Quilombos in den Wäldern Bahias für eine über 100 Jahre andauernde und längste Wiederstandsbewegungen die sich in der menschlichen Geschichte dokumentieren lässt. Palmares gilt als eine regelrechte „Sklavenrepublik“, die sich aus mehreren größeren und kleineren Quilombos zusammensetzte. Über 30.000 Bewohner zählte Palmares in seiner Blütezeit. Portugiesen und auch Holländer versuchten vergeblich, Palmares zu besiegen und so die ehemaligen Sklaven wieder ihrer Freiheit zu entledigen. Alle Versuche jedoch blieben erfolglos. Zu gut organisiert hatten sich die Flüchtlinge und zu gekonnt waren sei ein Teil ihrer sie umgebenden Natur. Bis es schließlich am 20. November 1695 durch einen Verrat gelang, den Ganga Zumba, den zu dieser Zeit anführenden König von Palmares Namens Zumbi zu töten und die „Republik der Sklaven“, wie sie auch genannt wurde, schlussendlich zu stürzen. Zumbi selbts, der durch einen Geistlichen – Padre António – aufgezogen und mit dem christlichen Namen „Francisco“ getauft wurde, beherrschte nicht nur die Sprache des Weißen Mannes perfekt, er kannte auch ihre Art zu denken und strategisch zu planen. In jungen Jahren war es sein innigster Wunsch, nach Palmares zu gehen und seinem eigenen Volke im Kampf nach Freiheit zur Seite zu stehen. Dabei half ihm all dieses erlangte Wissen, die portugiesischen Soldaten und Sklavenjäger mit effektiven Gegenstrategien zu besiegen. Capoeira und die darin angewandten Kampftechniken spielten, so weiß man heute, eine wichtige Rolle. Doch durch einen hinterhältigen Trick, gelang es den Portugiesen, Zumbis eigenen weißen Stiefbruder, zu einem Verrat Zumbis zu bewegen. Nach einem Angriff war es ihnen gelungen, Frau und Kind des Stiefbruders zu entführen. Wollte sie dieser wiedersehen, müsse er Zumbis Aufenthaltsort preisgeben. Die Portugiesen waren letztlich erfolgreich, und sie konnten Zumbi gefangennehmen und ihn öffentlich köpfen. Der Ganga Zumba starb, Palmares fiel. Doch sollte es noch beinahe zwei Jahrhunderte dauern, bis in Brasilien die Sklaverei im Jahre 1888 mit dem Lei Áurea (port. für „Goldenes Gesetz“) endgültig abgeschafft wurde.

Lange Zeit danach war das Praktizieren von Capoeira in Brasilien unter Androhung von Gefängnis verboten und gesellschaftlich – da von der Straße kommend – verpönt. Erst in den 30iger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde Capoeira als eine organisierte Kampfkunstform durch Manoel dos Reis Machado (23.11.1899 bis 15.02.1974) besser bekannt als „Mestre Bimba“ mit dem Luta Regional Baiana, sowie durch Vincente Ferreira Pastinha (05.04.1889 bis 13.11.1981) „Mestre Pastinha“ zunehmend gesellschaftlich etabliert, indem es nicht mehr allein auf der Straße, sondern in sogenannten Akademias praktiziert wurde. Es sind heute noch diese beiden Mestres, die aufgrund ihrer wichtigen Arbeit und somit als Wegbereiter der modernen Capoeira eine ganz besondere Würdigung in der Capoeirawelt innerhalb von Liedern, Geschichten und Erzählungen unter den Capoeiristas erfahren. Praktiziert wird Capoeira mittlerweile in über 130 Ländern und erfreut sich weiterhin zunehmender Beliebtheit.

Doch was genau ist jetzt Capoeira? Ein Tanz? Ein Kampf? Ein Spiel?

In einem Kreis von Capoeiristas (so werden Capoeira-Kämpfer genannt) versuchen zwei davon, sich zu rhythmischer Musik aus drei Berimbaus und anderen Rhythmusinstrumenten wie der Atabaque, dem Pandeiro, der Agógó, oder dem Reco-Reco spielerisch, tänzerisch oder gar kämpferisch umeinander herumzubewegen und um sich stets nach dem Prinzip von Angriff- und Gegenangriff zum Ausweichen oder mit Hilfe von Wurftechniken (Desequilibrantes) zu Boden zu bringen. Dabei verwenden die Capoeiristas ihre ganz eigenen Tricks und Finten (Malandragem), um die Camaradas (Mitspieler, -kämpfer oder tänzer) in die Irre zu führen. Dabei ist Capoeira als eine Kunst des Kaschierens und Transformierens zu sehen, in dem Angriffe durch Ästhetisch-tänzerische Bewegungen getarnt und in fließend-akrobatischen Übergängen aneinandergereiht werden. Somit ist Capoeira immer auch Ausdruck völliger Körperbeherrschung.

Capoeira ist aber auch viel mehr als das. Es ist Lebensgefühl, gar (Über-)Lebenskunst. Und so hat jeder Capoeirista seine ganz persönliche Form, sich zu bewegen. Der Eine ist tänzerischer, ein anderer ist verspielter oder gar kämpferischer. Somit ist Capoeira eine Mischung aus Kampf, Tanz und Spiel und doch so vieles mehr. Capoeiristas sind „sanfte“ Krieger („Guerreiros Suaves“), die es nicht auf den Kampf anlegen, ihn aber im Falle des Falles deutlich beherrschen.

Die zwei Capoeira-Stile: Angola und Regional – und ihre kontemporären Ausprägungen

Die Capoeira selbst unterscheidet sich in ihren Stilen. Dabei unterscheiden sich aufgrund von Bewegungsevolution, Geschichte, Herkunft und Bewegungsformen die traditionelle und ursprüngliche Capoeira Angola, sowie die neuzeitlich-kontemporäre, um einige Elemente asiatischer Kampfkünste angereicherte Capoeira Regional nach Mestre Bimba (Luta Regional Baiana).

Eine moderne Kombination aus den verschiedenen Capoeira-Formen stellt die heutige Capoeira Contemporânea dar. Diese Schule stellt den Anspruch, die historischen Elemente mit den neuzeitlichen Entwicklungen zu verbinden. Lehrinhalte für den Capoeira-Unterricht bestehen daher grundlegend aus Regional und Benguela, aber auch zusätzlichen Unterrichtseinheiten zu Angola, Miudinho und weiteren folkloristischen Inhalten wie Maculêlê (Kriegstanz mit Stöcken) oder Puxada de Rede (Traditioneller brasilianischer Fischertanz).

Heute wird Capoeira überall in der Welt gelehrt und praktiziert. Es entwickelt sich kontinuierlich weiter. Der Bezug jedoch auf die traditionellen Werte und die Kenntnis der Geschichte der Capoeira bleibt heute, genau wie morgen von unverändert wichtiger Bedeutung.